Samstag, 5. Mai 2018
Mittlerweile hat der Wind in Lisboa etwas nachgelassen und die Temperaturen steigen. Auch kann man sich nun bequem einen Sonnenbrand reinziehen, wenn man sich nicht genügend schützt. So macht das Verfolgen der Proben nicht mehr ganz so viel Spass. Schwarz in schwarz, sei es die Arena oder das Pressecenter. Kein Tageslicht. Vielleicht auch besser so, ansonsten bereut man es noch mehr sich in diesen Gebäuden aufzuhalten. Entweder man ist ein Fan vom Event oder eben nicht und dann muss man es auch lassen.
Begonnen wurde mit Russland. Julia auf dem Matterhorn, Scheiterhaufen. Wer sich diese Inszenierung ausgedacht hat ist für Aussenstehende nicht nachvollziehbar. Auch in diesem Probendurchlauf ist es mehr ein gequältes Mitmachen als mit Freude und Enthusiasmus einen Song vorzutragen. Obwohl es zwei Brücken auf der Bühne hat, kann ich die grazilen Tänzer und die an den Rollstuhl gefesselte Interpretin nicht zusammenbringen. Auch wenn für die Künstlerin schlimm, ich hoffe nicht, dass bloss aus Mitleid Punkte eingesackt werden können.
Lustig und wohl eine der besten Umsetzungen auf der Bühne hat Moldawien zu bieten. Die in den Nationalfarben gekleideten Interpreten haben echt was zu tun auf der Bühne. Mit Philipp Kirkorov ist ja auch ne Menge Geld dahinter. Aber es hat sich gelohnt den Song so umzusetzen, und dieser wird beim Publikum ganz bestimmt auch sehr gut ankommen. Türchen auch, Türchen zu und das alles im Doppelpack, sehr gute Idee und es klappt auch mit der Umsetzung.
Noch immer habe ich den Draht zu Waylon der den Niederländischen Beitrag bringt gefunden. Auf der einen Seite voll Country auf der anderen Seite Tänzer die in keinster Weise etwas im Genre verloren haben. Hier fehlt mir die Authentizität. Auch beginnt der Song schon nach kurzer Zeit zu nerven, da immer dieselbe Tonlage bespielt wird. Schade, ich denke mit einem anderen Song hätte Waylon durchaus Chancen das Publikum für sich zu gewinnen.
An Beliebtheit hat nun Australien gewonnen. Stimmig wird der Song von der quirligen Jessica vorgetragen. Da vergisst man für einmal das Outfit, das mir noch immer nicht gefällt. Sie kann jedoch das Publikum mitreissen und der Song bleibt im Ohr hängen. Auch in der anschliessenden Pressekonferenz hat sie sich mit Charme und Witz, nicht nur über sich selbst, lustig gemacht. Zu den Fotos die ich machen konnte reichte sie mir auch noch die Hand. Fühlte mich geehrt. Ich zweifle keinen Augenblick daran das die singende Disco-Kugel den Einzug ins Finale schaffen wird.
Obwohl ich Ethno nicht unattraktiv finde, kann ich den Auftritt von Georgien nicht einordnen. Die Stimmen der Sänger sind hervorragend, die Melodie lässt aus meiner Sicht zu wünschen übrig. Aber das hat wohl mehr mit mir und meinen persönlichen Geschmack zu tun. Ich denke auf das dieser Titel nicht mehrheitsfähig ist. Von der professionellen Jury wird es sehr wohl Punkte geben, nicht jedoch vom Publikum im Allgemeinen.
Der polnische Beitrag wird etwas altbacken umgesetzt. Song nicht schlecht aber die DJ-Nummer auf der Bühne haben wir alle schon zigfach gesehen. Reisst einem weder vom Hocker noch holt es einem hinterm Ofen hervor. Kann aber auch sein, dass genau dies die Masche ist, mit welcher uns die Polen gewinnen wollen. Das butterstampfende Mädchen, war ja auch, zwar in eine andere Richtung provokant. Vielleicht ein Schritt zurück und mit Vollgas ins Finale.
Der Vamp aus Malta in Form von Christabelle ist für mich einfach etwas zu übertrieben. Möchte sie auch ein Taboo aufmerksam machen oder selbst einer überschreiten? Nach drei Minuten ist der Spuck vorbei und bleibt auch nicht nachhaltig in den Gehörgängen stecken.
Was machen die denn da. Das frage ich mich auch nach dem zweiten Probendurchgang von Ungarn. Gut ich bin kein Heavy-Metal Fan, aber hier passt gar nichts. Die Stimme nicht zum Genre und das Genre nicht zum Eurovision Song Contest. Ein guter, und das betone ich noch einmal, guter Heavy-Metal Song kann in den Song Contest eingebracht werden. Dann aber bitte mit dem nötigen Ernst. Ob das mit dem Stage-Diving klappen wird. Ich denke das Publikum welches sich ja so herausgeputzt hat, möchte sich dafür zur Verfügung stellen. Das Outfit und oder das eigene Styling könnte ja Schaden nehmen.
Das Funny Girl aus Lettland kann und konnte mich noch immer nicht überzeugen. Ein Schluck Wasser in der Kurve hat mehr Elan und Ausdruckskraft. Die Melodie plätschert so vor sich hin und wenn sie fertig ist, ist der Lift auch am Ziel angekommen. Im Keller.
Justin Bieber für Arme. Schweden hat sich in diesem Jahr wieder einmal sehr viel Mühe gegeben. Auch mit der optischen Umsetzung von «Dance You Off» sind sie dabei. Was aber nicht wirklich ankommt ist die gequälte Stimme von Benjamin Ingrosso die einem nach ein paar Sekunden schon kräftig auf die Nerven geht. Die Melodie hingegen verfolgt einem. Man kriegt sie nicht mehr aus dem Kopf. Ist dies das Ergebnis, wenn man um jeden Preis gewinnen will und alle Faktoren die dazu führen könnte wild zusammenmixt? Mit diesem Song wäre ja ein Platz kurz nach 10 schon gut.
Montenegro habe ich leider erneut verpasst, aber es gibt ja hier so viel zu sehen. Von Slowenien bin ich ehrlich gesagt auch etwas enttäuscht. Ich hätte da schon mehr erwartet. Zu sexy zu nichtssagend mit einem leichten Hauch vom Ballermann. Ein gefakter Ausschnitt bis zum Bauchnabel kann die ganze Misere auch nicht wettmachen. Aber vielleicht guckt man ja mehr als hört 😉.
Melovin aus der Ukraine hat mit seinem Auftritt zwar neue Wege beschritten, aber wird dieser Aufwand auch belohnt. Für mich ist es zu unnatürlich. In einem Klavier liegend mit dem Song zu beginnen, dann hydraulisch aus eben diesem Flügel angehoben zu werden und am Ende in einem Meer von Pyros die Treppe brennend abzufackeln. Was hatte das noch mit «Under The Ladder» zu tun. Auch kann man dem Interpreten nicht ins Gesicht sehen, da er sein linkes Auge mit einer Kontaktlinse so verunstaltet, dass der Blick an diesem Accessoire hängenbleibt und der Rest ist Beilage.
Während des ganzen Tages habe ich mir auch noch ein paar Auszeiten gegönnt. An der Sonne liegen, wenn auch nur für gefühlte paar Minuten. Und das Highlight des Tages, den Besuch der Eisdiele im Einkaufszentrum Vasco da Gama. Herrlich erfrischen und total lecker. Merci villmol, Jörg!


Ein Ärgernis der Sonderklasse ist seit der Eröffnung des Eurovision Village, der Einlass. Dank ein paar Vollidioten von Terroristen, ist die Sicherheit hier so raufgefahren, dass man beinahe zu jeder Zeit mit einer Wartezeit von über 45 Minuten einrechnen muss, am späteren Abend noch länger. Ich kann es ja gut verstehen, dass die Sicherheit grossgeschrieben wird und dass sich Lisboa auf keinen Fall nachsagen lassen will nichts gegen allfällige Anschläge zu machen. Gleichzeitig wird das zusammenkommen der Fans massiv eingeschränkt, die sich mittlerweile auch an anderen Plätzen etwas dezentral treffen. Schade, dass der Terror das natürliche Bedürfnis der Menschen sich zu Treffen und Auszutauschen beinahe verunmöglicht.